Der Geist von Mali (ist nicht totzukriegen)
Nun, da Wagner-Boss Jewgeni Prigoschins Tod als bestätigt gilt, soll sich der Geist rund um Wagner in Afrika aufgelöst haben? Dass dem nicht so ist, dass die Wunden in Afrikas Bevölkerung tief sitzen, weiter Sanktionen verhängt werden, und es lange dauern wird, russische Söldner aus dem Land zu bekommen, zeigt eine Analyse.
((Stand Dezember 2022)): Viel weiß man nicht über die russischen Wagner Söldner. Sie sollen für die malische Putschregierung Handlanger der Gewalt spielen. Die Truppe passt höllisch auf, dass es so bleibt. Alles streng geheim. So soll es bleiben. Es gibt kaum Videos oder Bilder der Truppe im Land. Nach grauenhaften Menschenrechtsverletzungen lebt die Zivilbevölkerung seit genau einem Jahr in Angst. Nun sind es gerade die ökonomischen Interessen Russlands, die Wagners Strukturen in Mali ersichtlich machen.
Sie leben wie böse Geister im Land. Vergewaltigen, morden und rauben. Die malische Bevölkerung bekommt Mitglieder der berüchtigten russischen Privatarmee Wagner nur in Kampfkleidung zu sehen. Wenn überhaupt. Wenn sie mal auftauchen, dann nimmt es oft kein gutes Ende. Selbst zu bestimmen, wer nun wirklich der Gruppe angehört, ist kein leichtes Unterfangen. Denn jegliche Abzeichen der Truppe soll auf den Kampfuniformen fehlen.
Generell sind sie nur als die Weißhäutige Soldaten bekannt. Französisch sprechen sie kaum oder überhaupt nicht. Hinter tief sitzenden Gesichtsmasken mit Tarnmuster verbergen sie ihre Identität. Mit hochmodernster Ausrüstung, Waffen, und Technik, wie Drohnen oder Abhörgeräte, spazieren sie über Märkte. Sie fürchten sich vor nichts und wüten, als gäbe es für sie weder Regeln noch Gesetze. So lauten die Mythen über die wohl berüchtigtste private Söldnertruppe aus Russland, die seit Ende 2021 in Mali anwesend sind.
Recherchen zeigen, dass sich Wagner nirgendwo so privat und verdeckt verhält wie in Mali. Seit September letzten Jahres (2021) soll die Truppe in Mali stationiert sein, um dort offiziell für die Russland-nahe Übergangsregierung als Ausbilder zu arbeiten. Die Regierung ist durch einen Putsch an der Macht gekommen. Unter welchen finanziellen Bedingungen Wagner Söldner im Land operieren, bleibt ein Rätsel. Ob die Söldner, wie Angestellte, bezahlt werden, halten Quellen für unwahrscheinlich. Daten, die mir vorliegen, zeigen auch, dass die Zahl der Raubzüge von Wagner gegen die örtliche zivile Bevölkerung seit Oktober (2022) angestiegen sind.
Im Januar 2022 soll die Regierung in Bamako noch eine Überweisung von 1,5 Millionen Euro an die Söldner getätigt haben. Zumindest wurde diese Summe dem Staatshaushalt abgezogen. Viel wahrscheinlicher ist es also, dass den Söldnern Rohstoffen und Raubgüter versprochen werden. Dabei kommt der Vertrag mit Russland, im November, der Regierung gerade recht. Als mögliche Belohnung westliche Mächte aus dem Land getrieben zu haben, liefert Russland nun Kraftstoff, Dünger und Lebensmittel.
Medienberichten zufolge soll der Präsident der Übergangsregierung, Assimi Goïta extra mehrmals nach Russland geflogen sein. Er habe mit seinem neuen Freund Putin gesprochen. Immer enger ist die Beziehung zwischen Bamako und Moskau so über die letzten Monate gewachsen. Im Sommer schenkte Russland der Regierung eine ganze Fliegerstaffel an Kampfjets. Gedankt hat die Regierung, damit das Land weiter abzuschotten. Goïta machte es westlichen Friedensmissionen, wie die der Deutschen Bundeswehr in ihrem größten Auslandseinsatz, schwerer und schwerer. Mit Erfolg für Russland, so scheint es. Eine ganze Reihe an westliche Staaten hat 2022 ihre Mali Mission gekündigt.
Dazu zählt auch Frankreich. Ohne den französischen Truppen ist es jetzt besonders hart herauszufinden, was russischen Söldner planen. Französische Militärs haben gelegentlich Material an Journalisten weitergegeben. Bilder und Videos der Truppe von klassifizierter Seite, gebe es nun kaum noch, heißt es von einer vertraulichen Quelle. Hinzukommt: Die malische Übergangsregierung kontrolliert die Grenzen und staatliche Stellen. Information aus dem Land herauszubekommen, wie Registrierungsdaten zu Wagner-nahen Firmen, wird so immer mehr zum Kraftakt.
Selbst offene Daten scheinen rarer zu werden. Sie helfen Sicherheitsforschern, Wagner in der Ukraine einzuschätzen. In Mali wird diese Arbeit immer schwiriger. Mal taucht auf dem prorussischen Telegram Kanal GREY ZONE ein Bild der Söldner auf. Mitglieder der Gruppe vertrödeln Sardinen an Einheimische. Dann mal ein Foto von Wagner Söldnern am Flughafen, abgelichtet neben einem bekannten Ebenholzhändler. Dann ein Bild, dass sie beim Einkaufen auf einem Markt in Sévaré, nahe Mopti zeigt, wie im Juli.
Sie ergeben den Anschein, dass die Söldner entweder dringend Geld brauchen oder sich mit manchen Einheimischen gut stellen wolle. Aber großen Spielraum für Einschätzungen lassen diese Schnipsel an Informationen nicht. Im Prinzip weiß man fast gar nichts. Und nun, mit noch weniger Quellen durch die abbröckelnden UN-Friedensmissionen, wird es noch mal schwieriger Wagner einzuschätzen.
Die Söldner verkriechen sich auf Militärstützpunkte. Sie wachsen schnell aus dem Boden und vergrößern sich rasant. Das beweisen Satellitenbilder, die die ich analysiert habe. Kleine Rechtecke an Baracken sprießen aus dem sandigen Boden der Malischen Wagner Stützpunkte, so Daten der Firma Planet Labs. Die Recherchen zählen in Mali mindestens neun Stützpunkte. In einer Handvoll zusätzlicher geografischen Standorte hat Wagner Präsenz gezeigt, entweder durch die wenigen Bilder, die es gibt, die geolokalisiert wurden.
Oder durch Augenzeugenberichte. Im Norden werden sie häufiger gesehen, wie in der nordöstlichen Stadt Kidal, die überwiegend durch das halbsesshafte Volk der Tuareg besiedelt wird und mit wüstenartigen Lehmhütten überzogen ist. Immer näher an die Grenze zu Mauretanien heran. Vermehrte Konflikte im Norden zwischen russischen Söldner gegen Jihadistengruppen dort, soll nach Einschätzung der UN Organisation UNHCR sogar zu einem Anstieg an malischen Flüchtlingen in das Mbera Flüchtlingslager in Mauretanien ausgelöst haben.
Wagners klammheimliches Vorgehen ist pure Absicht, sagen Sicherheitsforscher. Denn verdeckt zu bleiben, ist das Geschäft der russischen Söldner. Besonders in Mali sei das so, denn dort hat die Arbeit der Gruppe gerade erst begonnen. Das Ziel ein Geist zu erschaffen, der zu unmenschlichen Gräueltaten bereit ist, wurde erreicht. Denn kaum jemand wagt es noch, sich der Truppe in den Weg zu stellen.
Besonders in Mali gibt es gute Gründe, warum Wagner, knapp ein Jahr nach der Ankunft, so verdeckt agieren kann und warum es leichter wird. Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Human Development Index, eine Richterskala der Entwicklung von Ländern, steht Mali auf Rang 184 aus 189 Ländern. Die Bevölkerung hat kaum Zugang zum Internet oder Smartphones. Das Netz ist schlecht. Nur wenige nützen Facebook. Damit dringt wenig nach außen. Mali biete nicht dieselben günstigen Bedingungen für offene Daten zu Wagner wie die Ukraine, Syrien oder selbst die Zentralafrikanische Republik, sagt Sophie, ein Mitglied der Rechercheorganisation All Eyes on Wagner (Name wurde geändert, um sie zu schützen). All Eyes on Wagner nützen offene Daten, um die Söldner und deren Menschenrechtsverbrechen zu studieren und offenzulegen. In den anderen Ländern sei es viel einfacher, die Söldnertruppe im Auge zu behalten. Selbst wenn man nach Mali fahren würde, erfährt man immer weniger. Denn die Zivilisten haben Angst. Zu gefährlich sei es (so Quellen, die mit Menschen vor Ort Kontakt haben), dass Wagner auch an ihre Tür klopfen könnte.
Für die schlechte Informationslage machen Experten Wagner selbst verantwortlich. Denn die Söldner passen höllisch auf, dass keiner mitfilmt oder Bilder schießt. Bei Einsätzen in Dörfern würden sie zuerst allen Einheimischen jegliche Kommunikationsmittel wegnehmen. Ohne Smartphones gibt es keine Auszeichnungen oder Hilfe, und damit keine Beweise. Dass Wagner fremde Überwachung hasst, ist klar. Der Aufklärungsauftrag der Bundesregierung in Mali könnte mithilfe Wagner eingeschränkt gewesen sein. Deutschland ist an der UN Friedensmission MINUSMA beteiligt. Überwachung ist Kern der Mission. Dass dies ein Dorn im Auge der Söldner ist, sollte keinen wundern.
Im November hat Deutschland beschlossen, den Einsatz deutscher Soldaten noch bis zum Mai 2023 fortzusetzen und dann mit dem Abzug der Truppen zu beginnen. Dieser soll dann bis zum Mai 2024 abgeschlossen werden. Die malische Regierung haben es immer schwieriger gemacht, Überwachungseinsätze zu fliegen. Flugrechte wurden entzogen. Experten vermuten dahinter die Hand Russlands, oder zumindest eine konsultierende Stimme Wagners. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat seit Wagners Erscheinen immer wieder an Malis Russland-Strategie scharfe Kritik geübt. Dabei ist jetzt, Malis politische Spitze ein Protegé mit einst deutscher Hilfe. In der Vergangenheit hat Deutschland dem nun Russland-nahen Staatspräsidenten Assimi Goïta gleich zweimal zu einer Ausbildung verholfen.
Mali kämpft seit Jahren mit Islamisten. Seit dem Putsch im Jahr 2020 wird das Land von einer militärischen Übergangsregierung geführt. Goïta, Staatsoberhaupt, und Anführer des Putsches, versprach hart durchgreifen. Wagner Söldner würden die Arbeit machen, natürlich nur als Sicherheitstrainer. Seitdem beklagen sich westlich Mächte der UN-Friedensmission über das Verhalten der russischen Söldner. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Frankreich und Großbritannien warfen bereits das Handtuch und haben ihre Koffer gepackt. Ein Kommandeur der französischen Anti-Dschihadisten-Truppe Barkhane, sagte im Sommer, die Söldner machten „Jagt auf Mali“. So wirkt es auch.
Russland schreckt nicht davor zurück, Menschenrechtsverbrechen von französischen Soldaten zu inszenieren, um damit anti-französische Stimmungen im Land zu bekräftigen. Ein angeblich malischer Twitter Account, DiaDiarra6, posierte mit einem gestohlenen Profilbild eines Kolumbianers im April. Dieser behauptete, französischen Soldaten hätten Massengräber am Stützpunkt in Gossi zurückgelassen. Ein Drohnenvideo der Franzosen konnte später beweisen, dass es sich hier um eine russische Desinformationskampagne handelte.
Seit Wagner im Land Anfang des Jahres so richtig losgelegt hatte, gegen den Feind mobil zu machen, wurden mehr Zivilisten und Terroristen getötet als in den ganzen neun Jahren zuvor. Die Regierung wertet das als Erfolg. Aber Wagner trägt maßgeblich zur Missachtung der Menschenrechte bei, immer und immer wieder.
Mindestens 665 Zivilisten fallen den Wagner Söldnern bis Anfang November zum Opfer. Das zeigen Daten von der Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) die ich auswertete. Die Nichtregierungsorganisation verifiziert lokale Nachrichtenmeldungen mit Aussagen von Quellen vor Ort. Andere haben die Daten auch geprüft. All Eyes on Wagner verifizierte unabhängig 23 Fälle von Menschenrechtsverletzungen.
Im zentral-malischen Moura hat Wagner, mit der Hilfe von malischen Soldaten, 300 Männer kaltblütig ermordet. Unter den Menschen könnte es Jihadisten gegeben haben. Die meisten seien aber Zivilisten, sagt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die mit Augenzeugen sprach. Die malische Regierung behauptete, sie habe lediglich 203 Terroristen getötet und 50 Menschen gefangen genommen habe.
Neben verdrehten Tatsachen weiß außer Wagner selbst keiner so recht, wie viele Söldner im Land sind. Nicht nur in Mali ist die Ungewissheit groß. Auch in der Zentralafrikanischen Republik gibt es lediglich grobe Schätzungen. Denn offene Verträge fehlen. Die malische Regierung könnte 1,000 Söldner der Wagner-Gruppe rekrutiert haben, so die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH. Sie seien lediglich Ausbilder. Die Regierung besteht bis heute darauf. Aus anderen Ländern weiß man: Die meisten davon sind Ex-Soldaten des russischen Militärs. Lange Listen von Wagner Söldnern und deren Adressen und Geburtstage werden im Internet geleakt. Der ukrainische Geheimdienst führt ähnliche Listen. Wer aber nun bei Wagner in Mali mitkämpft, ist nicht ersichtlich. Versuche diese Daten mit Social Media oder anderen offenen Quellen abzugleichen schlagen fehl. Bis auf einen Namen: Ivan Aleksandrovich Maslov.
Wer steckt hinter Wagner in Mail?
Wer in der Goldbergbau Sczene nach Wagner-nahen Personen buddelt, wird bedingt fündig. Der im Januar 1980 geborene Maslov, Kodename MIRON, spielt hier eine zentrale Rolle. Denn Putins enger Bekannter, Evgeni Prigozhin gehört über die Firma Concord Management and Consulting LLC auch die Wagner Privatarmee. Im September hat er sich dazu erstmals geoutet.
In Mali ist Prigozhin über zwei Unternehmen in die Erschließung von Goldminen verwickelt. Eine davon ist die in Mali gegründete Bergbaufirma Alpha Development SARL. So wurde es im malischen Handel und Eigentumsregister (RCCM) in Bamako ausgewiesen. Ungefähr zum Zeitpunkt registriert, als Wagner Fuß im Land Ende 2021 fasste, hat die Firma Interesse für lokale Schürfrechte gezeigt.
Ob sie diese bekommen hat, bleibt unklar. Interessant sind die Personen, die mit der Gründung der Firma beauftragt wurden. Einer ist Maslov. Maslovs Spur führt direkt in die Tiefen des Wagner Baus. Als Kriegsverbrecher wird er vom ukrainischen Sicherheitsdienst eingeschätzt, da er schon in der Ukraine 2014 als Anführers eines Militärzugs in Luhansk im Einsatz war. Eine Zeit lang soll er bei GRU, dem Russlands Militärgeheimdienst, gearbeitet haben. Einen direkten Draht zu Prygoshin soll er auch gepflegt haben. Das würde ihn zur Nummer 1 von Wagner in Mali machen.
Ermittler von All Eyes on Wagner haben sich dazu noch weitere Daten zu Maslov von einer geheimen Quelle aus Russland besorgt. Flugtickets und Maslovs Passinformationen zeigen, dass er in den letzten Jahren weit herumgekommen ist: Irak, Papua-Neu Guinea und Madrid. Sein Auto soll in der russischen Stadt Krasnodar registriert haben, nur eine kurze Autofahrt zum Molkino Trainingszentrum entfernt, wo Wagner ein Militärlager unterhalten soll.
Wärmend Maslov sich um militärisches Zeug kümmern soll, überwacht der Geologe Sergueï Laktionov, der Alpha Development mitgründete, alle Bergbau-relevanten Themen. Bevor diese nach Mali gekommen ist, soll er die Zentralafrikanische Republik durchquert haben. Dort ist Wagner auch präsent. Für die Söldner soll er in Zentral und Südmali nach Möglichkeiten für den Goldbergbau ausgespäht haben. Zusammen mit seinem Kollegen, Viktor Popow, auch ein Geologe, sollen besonders Gold und Magnesiumquellen an den Ufern des Flusses Niger ausfindig gemacht werden.
Nach Angaben des französischsprachiges Wochenmagazins Jeune Afrique sollen diese Geologen jetzt mit der Regierung Malis verhandeln, wie Minen von internationalen Firmen übernommen werden können. Ob das überhaupt geht, ist die große Frage. Zwei dieser Minen sind mit großen Anteilen fest in kanadischer Hand. Betreiber der Fekola Mine, B2Gold, und der Loulo-Gounkoto, Barrick Gold, wurden auch von mir kontaktiert. B2Gold Corp sagt, mit Wagner habe die Firma nie verhandelt. Der Besitzer der Syama Mine, von australischen Unternehmen Resolute habe so etwas auch nie getan. Da die Regierung mit mindestens 10 % an jeder Mine beteiligt ist, könnte es trotzdem sein, dass die von Wagner beauftragten Geologen in Gespräche irgendwie involviert wurden. Im November gründete die Regierung eine zu 100 % verstaatlichte Bergbaufirma. Die Sorem SA könnte es erleichtern, Wagner-nahe Firmen in Bergbaugeschäfte einzubeziehen. Der Erlös könnte als Zahlungen an Söldner herhalten.
Bis jedoch das Gold in den Kassen der Wagner Söldner klingelt, ist es noch ein harter Weg. Und das bedeutet wahrscheinlich, dass sich die Söldner mit anderen Einkommensquellen abspeisen lassen müssen. Eine alternative Geldquelle wird in Daten von ACLED sichtbar. Denn besonders der Viehdiebstahl durch russische Söldner nahm seit Oktober drastische zu. Mindestens neue Vorfälle wurden registriert. Héni Nsaibia, der Datenforscher von ACLED denkt der Viehdiebstal kommt der malischen Behörden gerade recht. Er ist überzeugt, dass Wagner erlaubt wurde zu rauben, um damit für Rechnungen an die Söldner aufzukommen. In Teilen von Zentralmali haben sich die Söldner systematisch dem Viehraub verschrieben. Das Vieh lässt sich leicht weiterverkaufen.
Die Söldner würden das als Konfiszierung von angeblich bereits gestohlenen Gütern durch Jihadisten abtun, so Nsaibia. In Wirklichkeit richten sich aber die Raubzüge gegen bestimmte Dörfer, vor allem gegen Fulani-Hirten. Sie ziehen dann von Dorf zu Dorf, nehmen einfach die Tiere und verkaufen sie weiter. Eigentlich sollte es einen Vertrag zwischen den Söldnern und der Regierung geben, die sie bezahlt. Der Profit, den die Söldner dabei potenziell erzielen könnten, ist nicht unbeträchtlich. Wenn Wagner und malischen Truppen in Zentralmali auf Beutetour gehen, und zum Beispiel eine Herde von 1.000 Rindern erbeuten, könnten es schon mal zwischen zehn und mehrere hunderttausend Dollar bringen, sagt er.
Wie es Wagner überhaupt nach Mali geschafft hat, hat mit viel mit Desinformation und Malis Militärgenerälen zu tun. Letztere sind jetzt tief in die Übergangsregierung und mit Russland verwebt. So haben Lokalpolitiker und Kampagnengruppen Desinformation für den Kreml gestreut, und damit das Land für Wagner vorzubereiten.
Als der Russe Maslov letztes Jahr (2021) in Mali ankam, wurde er von einem hochrangigen Offizier, namens Oberst Alou Boï Diarra willkommen geheißen (Wir erinnern uns an den gleichnamigen Twitter Account der Desinfo Kampagne). Im Januar wurde Diarra zum General befördert und ist nun Major der Luftwaffe. Aber Diarra ist noch viel mehr. Von Anfang an galt als einer der eifrigsten Wagner Förderer. Er soll so etwas, wie der Architekt der Regierungskollaboration mit den Söldnern gewesen sein. Beweise fehlen Beweise. Aber kurz nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges soll er nach Russland gehuscht sein, so das Magazin TheAfricanReport.
Neben seiner militärischen Position, ist Diarra der Präsident der Yerewolo-Debout sur les Remparts-Vereinigung. Sie hat vor Wagners Ankunft schon für russische Propaganda im Land gesorgt, beispielsweise frankreichfeindliche Demonstrationen inszeniert. Damit forderte er auf, das Land von französischer Militärpräsenz zu befreien. Eine leichte Frankophobie gab es dabei schon länger. Diarra half, diese Gefühle zu verstärken.
Wagner und Russland dankt ihm heute. Die Putschregierung auch. Sie greift hart gegen Jihadisten durch. Grausam hart. Neu zu sein scheint, ist wie eng Wagner mit malischen Truppen zusammenarbeitet. Dabei war die Beziehung nicht immer einfach. Zwei malische Soldaten wurden im Sommer 2022 von Wagner Söldnern getötet. Daten zeigen, dass zumindest in den letzten Monaten (OCT-NOV 2022), der Trend immerhin zu mehr gemeinsamen Einsätze geht. Mit malischen Soldaten Seite an Seite mit den Söldnern, hätten man sich weniger Menschenrechtsverbrechen versprechen können (Mali FAMA Forces seien weniger brutal als Wagner). Das Gegenteil war aber der Fall. Denn Wagner soll Regierungssoldaten inspiriert haben, grausamer und härter gegen Zivilisten vorzugehen, so Héni Nsaibia. Dabei sind es besonders die unorthodoxen Vorgehensweisen, die Wagner von den der malischen Soldaten unterscheidet. Wagner Taten haben eine eigene Note, so Experten. Dazu gehört auch sexuelle Gewalt. So haben örtlich Quellen von Missbrauch oder Vergewaltigungsfällen gegen Frauen durch russische Söldner berichtet.
Der Einsatz von versteckten Sprengfallen ist auch Wagner zuzurechnen. Am 16. Mai 2022 wird ein Kämpfer der militanten Jihadisten Organisation JNIM durch eine Explosion einer solchen Sprengfalle in der Gegend von Mopti (auch oft das Venedig von Mali genannt) getötet. Von Wagner gelegt, tragen sie die Handschrift der Söldner in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Libyen. Dass nun, mit Wagner solche Taktiken nach Mali überschwappt, verwundert Experten wenig, so Nsaibia. Sie hätte einfach ihre üblichen Methoden mitgebracht.
Vergeltung spiel in Wagner Attentaten oft auch eine zentrale Rolle. Am 12. September, nahe der Ortschaft Nani, wurden zwei Wagner Söldner auf einem Motorrad unterwegs durch eine Mine umgebracht. Wagner rächte sich, und zwar damit, dass die 14 Menschen aus der Gemeinschaft der Tuareg Bellah in einem nahegelegenen Dorf hinrichteten. Die meisten seien Zivilisten gewesen. Die Leichen wurden dann in dem von dem Sprengsatz verursachten Krater verscharrt. Ein Video des Kraters wurde mir zugespielt. Ich habe es verifiziert.
Folter trägt auch Wagners bevorzugten Handschrift. In Wagners Stützpunkten kämen Folterpraktiken wie Elektroschocks, Auspeitschen, Ertränken und Scheinexekution zum Einsatz, schreibt FIDH. Um solche Folterlager anzulegen, übernahm die Wagner ein ehemaliges MINUSMA Lager in Diabaly, in dem sie sich Ende Januar niederließen. (Le Monde bestätigte mit Recherchen, dass es sich um Wagner Leute handelte).
Wurde Wagner zu spät in Mali als ernste Bedrohung der Menschenrechte erkannt? Im Januar 2022 hatte UN Generalsekretär Guterres noch beteuert, es wäre Malis gutes Recht und „eine souveräne Entscheidung der Regierung von Mali, mit einer Organisation (wie Wagner) zusammenzuarbeiten“.
Durch Telegram habe Wagner verlauten lassen, dass sie die Erklärung von Guterres begrüßt wurden. Die Gruppe sei bestrebt, die Lage in Mali zu stabilisieren: „Und wie immer werden wir die Menschenrechte achten, aber nicht die Rechte von Terroristen”. Dass daraus nicht geworden ist eines der Dinge, die man über den Geist von Mali mit Sicherheit weiß.